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Interview: Das Genom besser verstehen

23andMe-Gründerin Esther Dyson im Interview mit Golem.de. Bekannt geworden ist Esther Dyson als Vorsitzende der Internetverwaltung ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers). 2007 hat Dyson mit Anne Wojcicki und Linda Avey das Unternehmen 23andMe gegründet. 23andMe bietet seinen Kunden für umgerechnet rund 670,- Euro eine Analyse des Genoms. Seit kurzem können auch Europäer den Dienst in Anspruch nehmen. In einem per E-Mail geführten Interview hat Esther Dyson Golem.de einige Fragen über den Nutzen und die Gefahren von 23andMe beantwortet.
/ Werner Pluta
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Golem.de: Vor einigen Jahren konnte wir uns noch nicht einmal vorstellen, dass das menschliche Erbgut entschlüsselt wird. Jetzt bietet 23andMe die Genom-Analyse als kommerzielle Dienstleistung über das Internet an. Warum sollte ich mein Erbgut im Internet veröffentlichen? Welchen Nutzen ziehe ich daraus?

Dyson: Die Daten werden nicht im Internet veröffentlicht. Sie bekommen einen Account, zu dem nur Sie Zugang haben, es sei denn, sie beschließen, Ihre Familie oder Ihre Freunde daran teilhaben zu lassen.

Golem.de: Was kann ich anhand der Daten erkennen?

Dyson: Sie können erkennen, mit welcher Wahrscheinlichkeit Sie bestimmte Veranlagungen haben im Vergleich zu der Wahrscheinlichkeit insgesamt. Aber um ehrlich zu sein, sagt Ihnen das nicht viel. Ein Ziel von 23andMe ist es, mehr Daten anonym zu sammeln, um diesen Informationen mehr Bedeutung zu verleihen.

Golem.de: Wie viele Kunden hat 23andMe bereits?

Dyson: Über die Zahl unserer Kunden geben wir keine Auskunft.

Golem.de: Bei der Analyse des Genoms können ja auch negative Ergebnisse zum Vorschein kommen, etwa die Veranlagung zu einer schweren Erbkrankheit. Oder jemand entdeckt, dass der vermeintliche Vater nicht der echte ist. Wie gehen Sie damit um? Bekommen die Betroffenen von Ihnen Beratung oder Hilfe?

Dyson: Wir bieten unseren Dienst als Information, nicht als Beratung. Wir warnen unsere Kunden vorher, dass diese Information beunruhigend sein kann. Wir empfehlen Ihnen, in dem Fall einen Arzt oder Berater aufzusuchen.

Golem.de: Welchen weiteren Dienste lassen sich auf Ihrer Plattform aufbauen - vielleicht die Suche nach unbekannten Verwandten oder nach geeigneten Spendern für Rückenmark?

Dyson: Das sind zwei Möglichkeiten. Dazu kommt medizinische Forschung, um mit der Zeit das Genom besser zu verstehen.

Golem.de: Der Dienst ist im Moment noch recht teuer. Viele, die ihn vielleicht brauchen, können ihn sich nicht leisten. Wird sich das ändern?

Dyson: Wie bei den Computern werden die Kosten sinken. Außerdem werden wir uns um Geldmittel von Forschungseinrichtungen bemühen, die es uns ermöglichen werden, mehr Leuten zu bedienen.

Golem.de: Wenn ich mich um eine neue Arbeitsstelle bewerbe: Wie stelle ich sicher, dass die Mitarbeiter aus der Personalabteilung nicht mein Erbgut zu Gesicht bekommen?

Dyson: Zeigen Sie es ihnen nicht! Diese Information gehört Ihnen allein, nicht der Personalabteilung und auch nicht der Öffentlichkeit.

Golem.de: Wenn immer mehr Menschen Informationen über ihre Gene ins Internet stellen - wird das dann nicht irgendwann obligatorisch? In was für einer Gesellschaft werden wir dann leben?

Dyson: Das ist genau die Frage, die wir ansprechen wollen. Es ist Sache jedes Einzelnen und der Gesellschaft, die Antwort darauf zu geben. Mein persönlicher Standpunkt ist, dass diese Informationen nützlich sind, aber dass jeder Einzelne das Recht haben soll, selbst darüber zu bestimmen, was er damit anfängt.


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