US-Urteil: PGP-Passwort ist durch Verfassung geschützt

Angeklagter darf im Strafverfahren nicht zur Herausgabe gezwungen werden

In einem Verfahren wegen des Besitzes von Kinderpornografie hat Ende des vergangenen Jahres ein US-Richter entschieden, dass der Angeklagte sich nicht durch Herausgabe des Kennworts zu den verschlüsselten Dateien selbst belasten muss. Davor sei er, so Richter Niedermeier in seinem Urteil, durch den fünften Zusatz zur US-Verfassung geschützt.

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Der Angeklagte, Sebastien Boucher, besaß bei einer Grenzkontrolle ein Notebook, auf dem Beamte der Grenzkontrolle bei einer flüchtigen Inaugenscheinnahme kinderpornografische Bilder und Filme fanden. Boucher hatte den Beamten dazu den Computer selbst überlassen. Nach Rücksprache mit dem Staatsanwalt verhafteten die Grenzbeamten Boucher, beschlagnahmten sein Notebook und fuhren das Betriebssystem herunter.

Als die Staatsanwaltschaft später eine gründliche Durchsuchung der Festplatte durchführen wollte, musste sie feststellen, dass die Dateien in einem PGP-verschlüsselten Container (Z) gespeichert waren. Der Zugang zu den entschlüsselten Daten war durch ein Passwort geschützt. Der Staatsanwaltschaft war es nicht möglich, das Kennwort zu erraten. Im Prozess gegen Boucher erließ die zuständige Geschworenen-Jury eine Anordnung, dass Boucher das Passwort herausgeben müsse. Gegen die Anordnung legte Boucher Widerspruch ein und berief sich dabei auf den fünften Zusatz zur US-Verfassung. Dort ist unter anderem festgeschrieben, dass "niemand...dazu gezwungen werden darf, sich in einem Strafverfahren durch eigene Aussage zu belasten".

Richter Jerome J. Niedermeier prüfte Bouchers Argumentation und die der Staatsanwaltschaft anhand der Rechtsprechung in ähnlich gelagerten Fällen. Am Ende kam er zu dem Schluss, dass Boucher Recht hat und hob die Anordnung der Jury auf.

Die Offenbarung des ausschließlich in Bouchers Kopf existierenden Kennworts würde der Staatsanwaltschaft Zugang zu möglicherweise belastenden Dateien verschaffen, so der Richter, von deren Existenz und Inhalten sie bisher keine Ahnung habe. Ein nur im Kopf des Angeklagten existierendes Passwort sei anders als Fingerabdrücke, Blutproben oder auf Band gespeicherte Aussagen kein physisches Beweismittel. Vielmehr sei die Herausgabe des Kennworts mit einer Aussage ("testimonial act") gleichzusetzen. Der Angeklagte würde sich mit dieser Aussage selbst belasten und dazu dürfe er laut fünftem Verfassungszusatz nicht gezwungen werden.

Sollte diese Entscheidung Bestand haben, dürfte ihre Bedeutung für die Zukunft kaum zu unterschätzen sein. Immer größere Mengen möglicherweise belastender Daten werden weltweit auf Festplatten gespeichert und leistungsfähige Verschlüsselungssoftware lässt sich jederzeit aus dem Internet herunterladen. Damit können auch Straftäter sensible Informationen wirksam vor dem Zugriff Dritter schützen. In Strafverfahren kann der Beweisaufnahme so wenigstens teilweise ein Riegel vorgeschoben werden. Einzelne Länder wie beispielsweise Großbritannien adressieren das Problem durch Gesetze, die Bürger dazu zwingen sollen, auf amtliche Anordnung hin die Schlüssel (Passwörter) zu verschlüsselten Daten herauszugeben. So will der Staat sich bei Bedarf Zugang zu geschützten Informationen verschaffen. Verfassungsrechte sollen dabei zurückstehen.

Der Grundsatz, dass niemand im Strafverfahren dazu gezwungen werden darf, sich durch eigene Aussage selbst zu belasten, gehört weltweit zu den Grundpfeilern des Rechtsstaatsprinzips. Richter Niedermeier hat sich mit seinem Urteil dazu entschlossen, der Bewahrung dieses Prinzips eine höhere Bedeutung zuzumessen als dem legitimen Interesse der Strafverfolgung im Einzelfall. Er hat den Strafverfolgungsbehörden somit ohne Frage eine unbequeme Last auferlegt. In Zukunft, so die Botschaft seines Urteils, dürften sie nicht damit rechnen, eigene Defizite bei der Ermittlung in Strafsachen durch Umgehung von Verfassungsrechten ausgleichen zu können. [von Robert A. Gehring]

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