Eilantrag gegen Vorratsdatenspeicherung
Das "Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikation und Vorratsdatenspeicherung" tritt zum Jahreswechsel in Kraft. Es geht auf eine EU-Richtlinie zurück, gegen die Irland vor dem Europäischen Gerichtshof klagt. Die Entscheidung in diesem Verfahren steht noch aus. Unter anderem schreibt das Gesetz die Speicherung von Kommunikationsdaten auf Vorrat vor, d.h. es soll protokolliert werden, wer mit wem in den letzten sechs Monaten per Telefon, Handy oder E-Mail in Verbindung gestanden oder das Internet genutzt hat. Bei Handy-Telefonaten und SMS soll auch der jeweilige Standort des Benutzers festgehalten werden.
Nachdem das von CDU, CSU und SPD beschlossene Gesetz nun im Bundesgesetzblatt verkündet worden ist, hat der Berliner Rechtsanwalt Meinhard Starostik am heutigen Montag (31. Dezember 2007) Verfassungsbeschwerde gegen die Datensammlung beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. In der über 150-seitigen Beschwerdeschrift(öffnet im neuen Fenster) wird auch beantragt, die Datensammlung wegen "offensichtlicher Verfassungswidrigkeit" durch eine einstweilige Anordnung sofort auszusetzen.
Zur Begründung heißt es, das Gesetz lasse "massive Kommunikationsstörungen" in Deutschland befürchten. Zum einen werde jeder Bürger grundlos wie ein potenzieller Straftäter behandelt. Es stelle einen gravierenden Eingriff in die Grundwerteordnung des Rechtsstaates dar, das Verhalten von 80 Millionen Bundesbürger ohne jeden Verdacht einer Straftat aufzeichnen zu lassen. Zum anderen drohe Journalisten der Abbruch von Informantenkontakten, Beratungsangeboten wie der Telefonseelsorge die Abnahme von Anrufen und E-Mails von Menschen in Not, Strafverfolgern der Wegfall anonymer Anzeigen und Hinweise, Regierungskritikern das Ende unkomplizierter Kommunikation und Internetsurfern Ermittlungen wegen des Besuchs vermeintlich verdächtiger Internetseiten.
Künftig könnten sensible Kontakte und Kommunikation nur noch durch persönliche Treffen abgewickelt werden oder müssten insgesamt unterbleiben, so die Kritiker. Damit gehe "die unverzichtbare Grundvoraussetzung eines demokratischen Staatswesens" verloren.
Rund 30.000 Menschen haben Rechtsanwalt Starostik zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde bevollmächtigt. Da die Erfassung und Auswertung der vielen Vollmachten noch nicht abgeschlossen werden konnte, wurde die Beschwerde zunächst im Namen von acht Erstbeschwerdeführern eingereicht. Es handelt sich um den Bielefelder Rechtsprofessor Prof. Dr. Christoph Gusy, den Bremer Publizisten und Rechtsanwalt Dr. Rolf Gössner, den Bürgerrechtler Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, den Leiter einer Beratungsstelle der AIDS-Hilfe, einen kommerziellen Anbieter eines Anonymisierungsdienstes, das Vorstandsmitglied des Journalistenvereins "Netzwerk Recherche" Albrecht Ude, den Steuerberater Heinz Raschdorf und den Strafverteidiger Peter Zuriel.
Die Beschwerde soll im Namen der weiteren Beschwerdeführer eingereicht werden, sobald die Erfassung der bis zum 24. Dezember 2007 eingegangenen Vollmachten abgeschlossen ist.
Bis Ende 2008 gilt eine Übergangsfrist, erst ab 2009 müssen Unternehmen Daten auf Vorrat speichern, andernfalls drohen hohe Bußgelder. Zudem hat der Arbeitskreis Vorratsspeicherung Empfehlungen zum Schutz vor der Speicherung der eigenen Daten veröffentlicht. Der Arbeitskreis rät, den Datenschutzbeauftragten des eigenen Telefon-, Mobilfunk-, E-Mail- und Internet-Anbieters zu fragen, ob und für wie viele Tage die Verkehrsdaten des Nutzer 2008 gespeichert werden. Zudem soll die unverzügliche Löschung der Daten verlangt werden. Kostenlose und Prepaid-Dienste sollen Bürger nach Ansicht des AK Vorratsdatenspeicherung nur noch unter falschem Namen nutzen.
Darüber hinaus empfehlen die Bürgerrechtler die Verwendung von Anonymisierungsdiensten und -software. Dazu bietet der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung eine CD mit Anonymisierungssoftware für Internetnutzer an.



