Spieletest: Rail Simulator - EA fährt gegen den Prellbock
"Simulator" ist zu unfertig auf den Markt gekommen. Der Rail Simulator ist Electronic Arts (EA) Antwort auf Microsofts Train Simulator. Für beide Spiele zeichnete Kuju verantwortlich. Doch im Unterschied zu Kujus Erstling fällt es beim Rail Simulator sehr schwer von einem zu Simulator sprechen. Zahlreiche immer noch nicht behobene Fehler und Schwächen bei den Signal- und Sicherungssystemen verderben einem schnell den Spaß.
Kujus Rail Simulator bietet dem eingefleischten Eisenbahnromantiker vier Strecken in verschiedenen Epochen, wobei es diverse Aufträge zu erfüllen gibt. Auch das freie Fahren ohne Auftrag ist auf den Strecken möglich. Wie viel Zeit ein Auftrag in Anspruch nimmt, findet man jedoch nur heraus, wenn man die Anleitung im Installationsverzeichnis ausfindig macht. Ausgerechnet eine der naheliegendsten Auftragsfahrten, nämlich das Fahren nach einem festen Fahrplan, gibt es jedoch nicht, stattdessen zeigt der Railsimulator eine geschätzte Ankunft an, die auf der eigenen Geschwindigkeit basiert.
Wer will kann die Aufgaben also auch im Bummeltempo erfüllen. Obendrein gibt es auch keine Auflistung der zu erwartenden Geschwindigkeiten, die bei modernen Lokomotiven und Triebfahrzeugen durchaus gängig ist. Einige Statistik-Einträge und sogar die Missionsbeschreibungen deuten jedoch darauf hin, dass Kuju in dem Bereich deutlich mehr geplant hat.
Der Lokführer muss aufmerksam auf die Geschwindigkeitsschilder auf der Strecke achten. Das wäre an sich nicht problematisch, wenn die Auftragsbeschreibungen nicht regelmäßig mit unverrückbaren Fenstern die Sicht blockieren würden oder die Vorwarntafeln mehr Abstand hätten. Übersieht man deswegen ein Rot-Signal, wird der Zug dann zwangsgebremst, Geschwindigkeitsübertretungen werden hingegen nicht immer bestraft.
Auch andere Anzeigen werden unverrückbar auf den Bildschirm geklebt und sind zudem teils "entweder oder"-Anzeigen: Wer die aktuelle Geschwindigkeitsbegrenzung sehen will, kann die Distanz zum nächsten Bahnhof nicht ohne umzuschalten sehen. Als zusätzliche Hilfe gibt es auf der Strecke noch zusätzliche, aber abschaltbare Hilfe-Blasen, die über den Gleisen schweben und diese entsprechend markieren. Auf größeren Rangierabahnhöfen überlappen sich die Hinweise jedoch und sind unlesbar.
Echte Eisenbahnluft will beim Rail Simulator nicht so recht aufkommen, eher sorgen die vielen Mängel gleich zu Beginn für Frust. Mit Signalen und der Zugsicherung nimmt es Kuju leider nicht so ernst. Ein Grünsignal muss man als Lokführer eigentlich nicht bestätigen. Da die Strecken nicht ohne Fehler sind, ist das leider doch ab und an nötig.
So kommt der Alarm dann auch etwas überraschend in dem "Geisterzug"-Szenario und der Spieler wird mit einer Zwangsbremsung bestraft, weil ein Grünsignal nicht bestätigt wurde. In dem Szenario finden sich gleich mehrere Signalfehler die für Frust sorgen. Dafür gibt es einige Signaltafeln, die eigentlich einer Bestätigung des Lokführers bedürfen, dies ist jedoch beim Rail Simulator nicht der Fall. Wer ein wenig Kenntnis von deutschen Eisenbahnen hat, muss bei dem "Simulator" komplett umdenken.
Des Rätsels Lösung: Kuju hat auf der deutschen Strecke das britische Sicherungssystem angewendet, während hierzulande eingesetzte Zugsicherungssysteme (PZB, LZB) nicht simuliert werden. Die (funktionslosen) Anzeigen sind in der Lok aber durchaus vorhanden.
Dass man auf der deutschen Strecke mit einer völlig übermotorisierten E-Lok (BR101) fährt und diese nicht ausfahren kann stört dann kaum noch. Immerhin muss man nicht wie die KI mit einer Rangierlok einen vollbesetzten InterRegio ziehen. Auch andere Details wie ohne Licht fahrende KI-Loks, Scheinwerfer, die die Strecke bei Nacht nicht erhellen, eine Übersichtskarte, die die Bildrate fast auf die Hälfte einbrechen lässt und gescripteter Minimalverkehr der teilweise fast lokfreien Szenarien sind nur noch das i-Tüpfelchen, welches dem Rail Simulator den Simulationsstatus nahezu aberkennt.
Dafür kann man von der Lok aus Weichen vor und hinter einem umstellen und muss das manchmal auch tun. Das man als Fahrzeugführer Weichen umstellen kann gehört eigentlich eher in einen Straßenbahnsimulator, sorgt aber im Rail Simulator für etwas Abwechslung. Entgleisungen sind jedoch nicht ausgeschlossen, wenn man versucht ohne die Bildschirmfüllende Übersichtskarte zu spielen. Leider lässt sich bei schneller Fahrt nur schwer erkennen, ob nun die Weichen vom Spiel automatisch gestellt werden oder man selbst eingreifen soll.
Der Realismus lässt auch in anderen Bereichen zu Wünschen übrig. Die Enden einzelner Strecken sind jeweils mit Prellböcken gesichert, die mit viel zu hoher Geschwindigkeit angefahren werden dürfen. Ein offenes Ende einfach über eine Rotsignalkonstruktion zu simulieren oder eine Baustelle mit einer Gleissperre zu nutzen wäre sicher der bessere Weg gewesen.
Auch bei den Einstellungen muss aufgepasst werden, denn bei falschen Realismus-Einstellungen schlägt ein unangenehmer Fehler zu: Bei fortgeschrittener Steuerung findet etwa eine Abfrage bei bestimmten Signalen statt, nur ist die Bestätigungstaste dafür deaktiviert und sorgt dafür, dass man fortan mit einem nervigen, nicht abschaltbaren Warnton fahren darf. Andere Programmeinstellungen sind auch nicht das Gelbe vom Ei: Durch einen Fehler werden bei bestimmten Einstellungen keine Fahrgäste mehr auf den Bahnsteigen angezeigt. Außerdem wirken selbst die Optionsdialoge des Rail Simulator unfertig.
Der Rail Simulator von Electronic Arts ist als mehrsprachige Version für Windows-PCs bereits im Handel erhältlich und kostet etwa 45,- Euro.
Fazit: Kujus Rail Simulator enttäuscht. Zahlreiche immer noch nicht behobene Programmfehler, zu wenig Rollmaterial und grobe Fehler in der Zugbedienung genügen dem Anspruch eines Simulators nicht. Die auf der Verpackung angepriesenen 1.900 Streckenkilometer finden sich im Spiel auch nur, wenn alle parallel verlaufenden Gleise großzügig zusammenrechnet werden. Dazu kommen Defizite bei der Simulation des Verkehrs und der Sicherungssysteme. Alles in allem ist der Rail Simulator nicht der erhoffte Nachfolger des Train Simulators. Stattdessen gibt es nur ein halbfertiges Spiel, das einige Updates benötigt um wenigstens halbwegs als Simulation durchgehen zu können. Offenbar fühlte man sich durch den herannahenden Train Simulator 2 von Microsoft bei EA und Kuju unter Druck gesetzt.