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Kanadier erzielen Etappensieg im Kampf gegen DMCA

Gesetzentwurf soll nach Protesten überarbeitet werden. Durch massive Proteste im Internet und beim zuständigen Wirtschaftsminister ist es kanadischen Aktivisten gelungen, den Gesetzentwurf für einen "kanadischen DMCA" vorläufig zu stoppen. Minister Jim Prentice will laut Presseberichten den Gesetzentwurf zurückziehen und hat seine Überarbeitung angekündigt.
/ Jens Ihlenfeld
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"1:0 für Web 2.0" – so könnte die vorläufige Bilanz der Auseinandersetzungen um die Umsetzung der WIPO-Urheberrechtsverträge in Kanada lauten. Den Urheberrechtsaktivisten um den Rechtsprofessor Michael Geist von der Universität Ottawa und den Science-Fiction-Autor, Blogger und ehemaligen EFF-Frontmann Cory Doctorow ist es mit Hilfe einer über das Internet organisierten Kampagne gelungen, eine breite Protestbewegung gegen den jüngsten Entwurf für einen "kanadischen DMCA" ins Leben zu rufen. Presseberichten in großen kanadischen Medien wie CBC(öffnet im neuen Fenster) und The Canadian Press zufolge waren die Proteste so erfolgreich, dass der für die Gesetzgebung federführend zuständige Wirtschaftsminister Jim Prentice einlenken will. Der für heute angekündigte Gesetzentwurf soll zurückgezogen und überarbeitet werden. "Dem Abgeordnetenhaus wird erst dann ein Entwurf vorgelegt werden, wenn ich selbst und der Kultusminister damit zufrieden sind" , wird Prentice dazu in The Canadian Press(öffnet im neuen Fenster) zitiert.

Ende November hatte Wirtschaftsminister Jim Prentice den Gesetzentwurf angekündigt. Cory Doctorow sprach damals im bekannten Blog BoingBoing vom "schlechtesten Urheberrecht überhaupt" . Kanada hinkt bei der Umsetzung der WIPO-Urheberrechtsverträge von 1996 im Vergleich zu anderen großen Industriestaaten deutlich hinterher, weil zwei frühere Gesetzentwürfe gescheitert waren. Die jeweils regierende Minderheitskoalition hatte es nicht vermocht, das Parlament zu überzeugen.

Der aktuelle Gesetzentwurf sah angeblich vor, die Umgehung von technischen Schutzmaßnahmen wie Kopierschutz oder DRM ohne Ausnahme unter Strafe zu stellen. Nutzerbedürfnisse wie Parodieren oder Backups sollten nicht berücksichtigt werden. Stattdessen plante Prentice die Einsetzung einer Kommission zur Ermittlung legitimer Nutzerbedürfnisse, denen dann später durch eine Ergänzung des Gesetzes Rechnung getragen werden sollte. Der Rechtsprofessor Michael Geist rechnete daraufhin vor(öffnet im neuen Fenster) , dass es nach kanadischen Gepflogenheiten wohl zehn Jahre dauern würde, bis die Ergänzungen umgesetzt würden.

Nach Bekanntwerden der neuen Gesetzespläne wurde der Protest dagegen über das Internet organisiert. In Anbetracht der großen Popularität von sozialen Netzwerkdiensten in Kanada(öffnet im neuen Fenster) entschied sich Michael Geist dafür, mit den Mitteln des Web 2.0 gegen den seiner Meinung nach unausgewogenen Gesetzentwurf zu kämpfen: Bei YouTube veröffentlichte er ein Video mit einer Anleitung zum Protest und bei Facebook gründete er eine Protestgruppe(öffnet im neuen Fenster) .

Der Erfolg war überwältigend. Innerhalb von einer Woche hatte die Gruppe bei Facebook mehr als 10.000 Mitglieder, bekannte Blogs und schließlich auch die Tagespresse griffen das Thema auf. Ein Radiosender forderte seine Hörer auf, Fragen zum "kanadischen DMCA" einzusenden, die dem Wirtschaftsminister gestellt werden sollten. Prentice war allerdings nicht bereit(öffnet im neuen Fenster) , sich befragen zu lassen.

Die Protestierer organisierten daraufhin eine Vor-Ort-Befragung anlässlich einer von Minister Prentice veranstalteten Weihnachtsfeier. Dort stand der Minister dann auch in begrenztem Umfang Rede und Antwort(öffnet im neuen Fenster) .

Sollten sich die kanadischen Presseberichte bestätigen und der für heute angekündigte Gesetzentwurf tatsächlich zurückgezogen und überarbeitet werden, stünde es wohl tatsächlich 1:0 für Web 2.0. [von Robert A. Gehring]


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