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"Musikprodukte sind keine Kühlschränke!"

EU-Parlament fordert Gesetz für Online-Musik. Mit großer Mehrheit hat das EU-Parlament die EU-Kommission aufgefordert, eine verbindliche Rechtsgrundlage für den Online-Vertrieb von Musik zu schaffen. Mit der Annahme eines Berichts des Rechtsausschusses wurde eine Empfehlung der EU-Kommission von Oktober 2005 zurückgewiesen, die ausdrücklich auf verbindliche Regeln verzichten wollte.
/ Jens Ihlenfeld
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Die EU-Kommission sah in ihrer Empfehlung "für die länderübergreifende kollektive Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten, die für legale Online-Musikdienste benötigt werden" von Oktober 2005 keinen Handlungsbedarf. Statt verbindlicher Gesetzesvorschriften wollte sie die Verwaltung von Lizenzrechten für den Online-Musikvertrieb der Selbstorganisation durch Verwertungsgesellschaften überlassen. Diese sollten länderübergreifende "One-Stop-Shops" zur Vermarktung von Lizenzen einrichten. Erste Verwertungsgesellschaften hatten zu Jahresbeginn entsprechende Angebote in Betrieb genommen .

Der Rechtsausschuss war nach eingehenden Diskussionen zu der Auffassung gelangt, dass der von der Kommission bevorzugte "Urknall-Ansatz" zur Freigabe des Wettbewerbs bei Online-Rechten die kulturelle Vielfalt in Europa gefährden würde. Dazu Katalin Levai im EUobserver: "Wir möchten eine solche Situation vermeiden und eine Atmosphäre verhindern, in der unkontrollierter Wettbewerb stattfinden kann." Der Vorsitzende der niederländischen Verwertungsgesellschaft BUMA/STEMRA, Cees Vervoord, unterstützte Levais Position und betonte, dass "Musikprodukte nicht mit Kühlschränken oder Autos vergleichbar sind" .

Der Fertigstellung und Verabschiedung des von der ungarischen Sozialistin Katalin Levai erarbeiteten Berichts des Rechtsausschusses waren hektische Lobby-Aktivitäten vorausgegangen(öffnet im neuen Fenster) . Noch am 8. März hatte der internationale Verband der Musikverlage (ICMP/CIEM) den EU-Parlamentariern eine Petition zukommen lassen, in der mehr als 350 Songschreiber und Komponisten ihre Ablehnung des Levai-Berichts zum Ausdruck gebracht hatten.

Nach Bekanntwerden der Petition hatten einzelne Unterzeichner ihre Unterstützung widerrufen oder sogar erklärt, dass ihre Namen missbraucht worden wären. So hat der französische Sänger und Komponist Dominique Pankratoff schriftlich abgestritten, seinen Namen unter die Petition gesetzt zu haben. Der Manager des britischen Folkmusiker Billy Bragg hatte erklärt, der Musiker hätte seine Zustimmung unbewusst erteilt. Die ICMP/CIEM zog die Petition schließlich zurück und entschuldigte sich für ihren Fehler.

Am Vorabend der Verabschiedung des Levai-Berichts hatte der EU-Kommissar für Arbeit, Soziales und Chancengleichheit, Vladimír Špidla, vor dem EU-Parlament seine Skepsis gegenüber einer gesetzlichen Regelung zum Ausdruck gebracht: "Die Kommission weist darauf hin, dass der Online-Markt gerade erst im Entstehen begriffen ist. Wir müssen sehr vorsichtig damit sein, seine Potenziale nicht durch zu unflexible Regelungen zu beschränken."

Die EU-Parlamentarier beließen es am Dienstag nicht bei der Kritik an der Kommission. Sie forderten darüber hinaus eine Modernisierung der nationalen Verwertungsgesellschaften. Diese müssten in Zukunft "im Interesse der Autoren" demokratischer und transparenter arbeiten. [Robert A. Gehring]


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