Action mit viel spielerischer Freiheit für die Xbox 360. Saints Row von THQ musste in der Vergangenheit bereits einiges an negativen Schlagzeilen einstecken - einerseits, weil das Spiel eigentlich bereits zum Verkaufsstart der Xbox360 erscheinen sollte und dann immer wieder verschoben wurde, andererseits, weil das Gameplay doch recht offensichtlich bei GTA abgekupfert ist. Letztendlich hat die verlängerte Entwicklungszeit dem Titel aber sehr gut getan; und die Ähnlichkeiten zum Millionenseller von Rockstar Games sind zwar frappierend, können dem Spielspaß aber nur begrenzt etwas anhaben.
Am Anfang von Saints Row steht die Erschaffung des eigenen Gangsters - und die ist so umfangreich ausgefallen wie es in Action-Spielen nur selten der Fall ist. Ob asiatisch oder Latino, mit heller oder dunkler Haut, diversen Augenfarben und einem unglaublich großen Fundus an den unterschiedlichsten Frisuren: Fast alles ist möglich. Dann beginnt auch schon die erste Videosequenz und lässt den Spieler schon mal erahnen, wie unangenehm das Leben in der fiktiven US-Metropole Stilwater sein kann. Der Held gerät nämlich nichtsahnend in einen Streit zwischen zwei verfeindeten Gangs, die sich erst gegenseitig beschimpfen und dann mit Schusswaffen ins Jenseits befördern; gut, dass ein paar Jungs der "Third Street Saints" vorbeikommen und einen da rausholen.
Die "Third Street Saints" sind zwar im Grunde auch nichts anderes als eine Straßengang, allerdings geben sie dem Spieler die Möglichkeit, sich ihnen anzuschließen - dazu muss nur eine kleine Prügelei überstanden werden, die einen mit den grundsätzlichen Nahkampfmöglichkeiten wie Tritten oder Schlägen vertraut macht, und schon gehört man dazu. Zwar erscheint es zu Beginn noch etwas seltsam, dass die Gangfarbe ausgerechnet Lila ist und alle Saints-Mitglieder dementsprechend gefärbte Kleidungsstücke tragen - das sieht dann stellenweise mehr nach Hippie-Gruppe als nach bösen Gangstern aus. Allerdings verwirrt das nur zu Beginn; danach bleibt kaum noch Zeit, sich mit derartigen Nebensächlichkeiten aufzuhalten.
Saints Row versucht gar nicht erst so zu tun, als hätten die Entwickler von Volition nicht ausgiebig GTA gespielt - die Parallelen sind einfach zu offensichtlich. Eine Stadt, in der sich frei zu Fuß bewegt oder jederzeit ein Auto geklaut werden darf, diverse konkurrierende Gangster-Banden und der Wunsch, zum größten Gangster des Viertels aufzusteigen; so weit, so bekannt. Saints Row erweitert dieses Prinzip allerdings um einige gute Ideen und trumpft vor allem mit toller Spielbarkeit auf.
Bevor es überhaupt daran geht, die Missionen von Saints Row zu erfüllen, muss zunächst einmal der nötige Respekt erarbeitet werden. Hierzu warten diverse, oft sehr unterhaltsame und alles andere als politisch korrekte Mini-Aufträge auf den Spieler: etwa verfeindete Gang-Mitglieder niederschießen, Prostituierte eskortieren oder gar einen Versicherungsbetrug verüben; vor allem Letzteres ist durchaus amüsant, da es hierbei darum geht, sich vor möglichst vielen Zeugen effektiv vor anfahrende Autos zu schmeißen. Hat der einem entgegengebrachte Respekt dann das nötige Maß erreicht, sind die Hauptmissionen dran - da werden dann Drogenlager ausgehoben, Fabriken in die Luft gejagt und anderes Ähnliches mehr.
Zwischendrin kann die eigene Garage mit immer neuen Autos aufgestockt werden, die sich beliebig in der Stadt entwenden lassen. Schade nur: Boote und Motorräder, die dank GTA ja mittlerweile fast zum Standard gehören, gibt es hier nicht. Zudem ist Stilwater auch nicht ganz so groß wie etwa Vice City. Trotzdem lässt sich hier viel Zeit zwischen den einzelnen Aufträgen verbringen: Zwischendurch verdientes Geld darf etwa nicht nur für Fast Food zum Aufbessern der Energie, sondern auch für neue Klamotten oder das Auto-Tuning genutzt werden - durchaus hilfreich, da sich auch das auf den eigenen Respektwert auswirkt.
Die anderen Gangs in Stilwater bleiben derweil natürlich nicht untätig: Macht man ihnen bestimmte Bezirke abspenstig, kann es immer wieder passieren, dass die Jungs zum Gegenangriff blasen und versuchen, ihr Gebiet zurückzuerobern. Dann gilt es, schnellstens den Ort des Geschehens aufzusuchen und sich ein nettes Schussgefecht zu liefern; diverse Pistolen und Gewehre, die im Waffenladen nebenan eingekauft werden können, sind da natürlich sehr hilfreich.
Auch auf die Polizei muss geachtet werden - wer sich kontinuierlich danebenbenimmt, setzt sich auch einem größeren Fahndungsdruck aus. Übrigens muss fast nie alleine eine Prügelei, Autofahrt oder Schießerei überstanden werden: Schon früh schließen sich Gangmitglieder dem Spieler an und begleiten ihn kontinuierlich; und während diese Begleitungen in anderen Spielen oft nur nutzloses Kanonenfutter sind, können sie einem in Saints Row in brenzligen Situationen wirklich das Leben retten.
In technischer Hinsicht brilliert Saints Row: Da Volition sich voll und ganz auf die Xbox360 konzentrierte, sieht das Spiel um Klassen besser aus als die letzten GTA-Titel. Zwar gibt es auch mal Pop-Ups oder leichtes Geruckel, im Großen und Ganzen überzeugt die recht detaillierte Grafik aber ebenso wie die tollen Explosionseffekte oder die kaum vorhandenen Ladezeiten. Auch die Bedienung per Pad funktioniert problemlos, was für einen Konsolentitel mit Shooter-Elementen ja immer noch alles andere als selbstverständlich ist. Auch die Übersicht bleibt in Stilwater immer erhalten dank kleiner Mini-Karte am Bildschirmrand, die einem die nächsten Ziele und den perfekten Weg dorthin anzeigt; über das Menü können zudem Zielpunkte gesetzt werden, die sich über die Karte dann einfach finden lassen.
Neben der Einzelspieler-Kampagne, die einen für über 20 Stunden beschäftigt, wartet Saints Row auch mit zahlreichen Multiplayer-Optionen auf - die reichen dann vom simplen Deathmatch über Eskort-Missionen bis hin zu Koop-Aufträgen für zwei Spieler.
Saints Row hat zwar von der USK keine Jugendfreigabe erhalten und ist somit nur für volljährige Spieler erhältlich, trotzdem ist die deutsche Version geschnitten: Überfahrene Passanten hinterlassen beispielsweise weder Blut noch Geld. Eine deutsche Synchronisation gibt es übrigens auch nicht, was allerdings eher der Atmosphäre des Spiels zugute kommt: Die teils etwas klischeeüberladenen Slang-Gespräche wären in deutscher Übersetzung sicherlich kaum glaubwürdig gewesen. Etwas enttäuschend ist dafür der Soundtrack ausgefallen; ein paar mehr bekannte und lizenzierte Musikstücke hätten es schon sein dürfen.
Fazit: Keine Frage, Saints Row ist eine dreiste Kopie der GTA-Serie - aber eine, die technisch überzeugt und immens viel Spaß macht. Optisch lässt Saints Row die Rockstar-Konkurrenz weit hinter sich, und ein paar neue Ideen wie etwa die Schwerpunktlegung auf Respekt und diverse Multiplayer-Optionen ergänzen das bekannte Konzept sehr sinnvoll. Und da man als Xbox-360-Besitzer die letzten Monate ohnehin nicht gerade mit tollen Veröffentlichungen verwöhnt wurde, ist das Geld für dieses Spiel zweifellos sehr gut investiert.