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Spieletest: Prey - Shooter gegen die Schwerkraft

3D-Realms-Titel nach Jahren der Entwicklung endlich fertig gestellt. Es gibt Spiele, mit denen eigentlich niemand mehr ernsthaft rechnet - Projekte, die so oft verschoben, neu angekündigt und verworfen werden, dass ein wirklicher Release immer unwahrscheinlicher wird. Duke Nukem Forever ist wohl das Paradebeispiel für diese Art Spiel, aber auch Prey hatte bis vor kurzem wohl niemand mehr auf seiner Liste; schließlich begann die Entwicklung dieses Shooters bereits in den 90er-Jahren. Zahlreiche Neuankündigungen und einen Entwicklerwechsel später ist das jetzt von den Humanhead Studios programmierte Spiel aber tatsächlich doch noch fertig geworden - und zudem auch noch deutlich besser, als die meisten nach der langen Wartezeit wohl angenommen haben.
/ Thorsten Wiesner
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Prey erzählt die Geschichte vom Cherokee Tommy, der in einem Reservat festsitzt und sich nichts sehnlicher wünscht, als aus dieser Umgebung endlich auszubrechen. Allerdings kann er seine Freundin partout nicht davon überzeugen, mit ihm zu gehen, was für ein angespanntes Beziehungsleben sorgt. Diese Probleme klären sich allerdings ganz von selbst, als plötzlich ein Alienraumschiff auftaucht und alle Bewohner des Reservats und der näheren Umgebung - inklusive Tommys Freundin - aufsaugt. Fortan muss der unfreiwillige Held durch dunkle Raumschiffgänge und Alien-Stationen irren, immer auf der Suche nach seiner Geliebten, und so ganz nebenbei zahlreiche Alien-Mutanten ausschalten, um am Ende auch die ganze Menschheit zu retten.

Das Szenario "Indianer muss gegen Aliens kämpfen" mag auf den ersten Blick etwas seltsam anmuten, allerdings erlaubt es den Entwicklern, interessante Spielelemente einzubauen - etwa das der Seelenwanderung, zu der Tommy dank seiner indianischen Wurzeln in der Lage ist. An bestimmten Stellen des Spiels kommt die sterbliche Hülle von Tommy nicht mehr weiter; da klafft vor ihm plötzlich ein tiefer Abgrund oder ein Kraftfeld blockiert den weiteren Weg. Per Knopfdruck kann sich Tommys Seele dann selbstständig machen und wie ein Geist durch Wände gehen oder einen plötzlich sichtbaren weißen Teppich über den Abgrund beschreiten. Meist dient dies einfachen Rätseln: Als Geist betritt man einen Raum, deaktiviert dort ein Kraftfeld und öffnet so den Weg für Tommy, in dessen Körper man dann einfach per Tastendruck wieder zurückkehrt.

Bei diesen Seelenwanderungen fehlen futuristische Schusswaffen wie Laserkanonen und Energiestrahlern, stattdessen wird mit Pfeil und Bogen auf Gegner geschossen. Allerdings gibt es dabei einen Haken: Tommy verfügt nicht nur über eine rote Lebensenergieleiste, sondern auch über eine blaue Seelenenergieanzeige - und mit jedem abgeschossenen Pfeil senkt diese sich ein ganzes Stück. Ist sie am Ende angekommen und wird Tommys Geist dann vom Gegner getroffen, stirbt er.

Sterben bedeutet in Prey allerdings nicht wie in so vielen anderen Shootern, dass die Spielfigur zum letzten Checkpoint zurücktransportiert wird. Stattdessen tritt Tommys Seele dann in eine Zwischenwelt ein, in der ein paar Sekunden Zeit zur Verfügung stehen, um durch das Abschießen von mysteriösen roten und blauen Vögeln die eigenen Energieleisten wieder aufzuladen; nach Ablauf der Zeit erfolgt dann der Rücktransport zum Ort des letzten Ablebens.

Prey hat noch zwei weitere großartige Ideen mehr zu bieten. Die eine ist die stellenweise Aufhebung der Schwerkraft: Immer mal wieder kann Tommy an bestimmten vorgezeichneten Wegen dank aktiviertem Kraftfeld im wahrsten Sinne des Wortes "die Wände hochgehen"; die Grafik dreht sich dann dementsprechend mit, und was eben noch die Decke des Raums war, ist nun der Boden. An anderen Stellen kann auf bestimmte Zeichen an der Wand geschossen werden, woraufhin sich der Raum dreht - immer die Wand, auf die geschossen wurde, wird zum neuen Bodenlevel, und Tommy muss aufpassen, wo er steht, damit er beim Drehen der Umgebung nicht ungünstig in einen Abgrund rutscht.

Der zweite Unterschied zu anderen gängigen Shootern ist das Vorhandensein von Portalen - eine Art "Türen im Raum", die allerdings nicht einfach zum benachbarten Areal führen, sondern manchmal auch in ganz andere Level-Bereiche. Optisch macht das einiges her, da sich schon vor dem Betreten des Portals hindurchschauen lässt; und so sieht man dann etwa in einem komplett stählernen Raum bereits einen Teil einer organischen Lava-Welt. Teils springen Gegner durch die Portale und greifen Tommy an, zum Teil kann Tommy sich die Raumpforten aber auch selbst zu Nutze machen und Kontrahenten ausschalten, bevor er ihre Welt überhaupt betreten hat, in dem er einfach durch das jeweilige Portal durchschießt.

Bei Letzterem gilt es allerdings aufzupassen - es gibt auch Portale, die einfach den Raum, in dem man sich gerade befindet, spiegeln; so kann es vorkommen, dass der Spieler sich selbst auf der anderen Seite des Portals sieht - wer da übereifrig nur eine sich bewegende Person erkennt und abdrückt, befördert sich selbst ins Jenseits.

Trotz all dieser guten Ideen ist Prey allerdings ein über weite Strecken doch sehr typischer und vor allem immens linearer Shooter geworden. Ständige geskriptete Ereignisse bestimmen den Spielablauf, eine wirkliche Wahlmöglichkeit für das jeweilige Vorgehen gibt es im Spiel eigentlich nie. Stattdessen werden Waffen, Munition und Medipacks eingesammelt, die jeweiligen Areale bereinigt - und dann eben neue Räume und Ballereinlagen freigeschaltet.

Auch optisch reißt Prey keine Bäume aus: Das Spiel nutzt die Doom3-Engine, was stellenweise für schön düstere, detaillierte Raumschiff- und Höhlenumgebungen sorgt, sicherlich aber keine Maßstäbe im Shooter-Genre mehr setzen kann. Zumindest läuft der Titel so auf etwas betagteren Rechnern auch in höheren Auflösungen noch flüssig.

Auch ein anderer Punkt wird einigen Spielern entgegenkommen: Der Schwierigkeitsgrad von Prey - solange denn zu Beginn "Normal" und nicht "Cherokee" ausgewählt wird - ist sehr human, auch ohne äußerst vorsichtiges Vorgehen wird der Spieler an den Baller- und kleineren Rätselpassagen nie sonderlich lange hängen bleiben. Und wer doch mal stirbt, ist dank des kurzweiligen "Vogelabschießens" schnell wieder im Spiel zurück - ein häufiges Quicksave-Drücken erübrigt sich also in den gesamten zehn bis zwölf Stunden Spielzeit.

2K Games hat Prey keine deutsche Sprachausgabe spendiert - Tommy spricht die ganze Zeit englisch, dazu gibt es dann deutsche Untertitel. Zumindest entfällt so der Ärger über eine schlechte Synchronisation; und da Tommys Äußerungen zum Teil recht witzig sind (etwa, wenn er darüber staunt, die Wand hochlaufen zu können oder sich nach einigen Raumdrehungen fast übergeben muss), entsteht viel zusätzliche Atmosphäre, die durch den orchestralen Soundtrack noch zusätzlich gefördert wird.

Prey ist für den PC (hier getestet) sowie für die Xbox360 bereits im Handel erhältlich und hat von der USK keine Jugendfreigabe bekommen, ist also erst für Spieler ab 18 Jahren zu kaufen. Übermäßig brutal und blutig ist das Spiel allerdings nicht. Beide Versionen warten mit einem Mehrspielermodus auf, in dem dann in den bekannten Modi Deathmatch und Team Deathmatch angetreten werden darf, was dank auch hier vorhandener Portalnutzung und Schwerkraft-Umdrehung eine nette Dreingabe ist.

Fazit:
Man kann an Prey sicherlich einiges kritisieren - so ist das Gameplay wirklich extrem linear und spielt sich über weite Strecken wie ein voll und ganz typischer Shooter, zumal es die meiste Zeit durch die typischen dunklen Korridore und kleine Räume geht. Dafür stimmen Atmosphäre und Präsentation; die kreativen Ideen der Entwickler machen das Ganze zu einer sehr kurzweiligen und unterhaltsamen Angelegenheit. Wer ein paar Mal die Welt um sich herum gedreht, auf Monster an der Decke geschossen und durch Portale immer wieder in neue Level gesprungen ist, wird sich wünschen, dass mehr Shooter diese Möglichkeit böten.


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