Spieletest: Madden NFL 06 - Realistische Football-Simulation

Die größte Neuerung in Madden 06 nennt sich "Vision & Precision" und verhilft dem Spiel zu noch mehr Realismus. Die "Vision Control" beschränkt das Blickfeld des Quarterbacks, so dass dieser nicht jeden beliebigen Receiver anspielen kann, sondern nur die, die sich in seinem Blickfeld befinden. Dabei haben erfahrene Star-Quarterbacks wie Tom Brady ein deutlich größeres Blickfeld als ihre unerfahrenen Kollegen. Natürlich ist das sehr realistisch, doch damit nicht genug, denn die Defense macht, was sie in jedem echten Football-Spiel macht: Sie liest die Augen des Quarterbacks.
Darüber hinaus ist es mit dem einfachen Anvisieren des gewünschten Receivers noch lange nicht getan. Vielmehr sollte man den Blick von einer Seite zur anderen schweifen lassen, um die Gegner zu verwirren, muss dann aber noch den richtigen Receiver auswählen und passen - so braucht man auf der Xbox beide Ministicks und die Knöpfe gleichzeitig. Das artet manchmal in Stress aus und führt nicht immer zum gewünschten Ergebnis.
Letztlich wird Madden 06 durch Vision & Precision so realistisch wie nie zuvor, doch es handelt sich hierbei definitiv um eine Funktion, die man entweder liebt oder aber hasst. Das dachten sich wohl auch die Macher und so ist es bezeichnend, dass sich Vision & Precision komplett deaktivieren lässt - womit dann aber der größte Unterschied zur Vorgängerversion dahin ist.
Weiterhin wurde der Offense der "Truck Stick" spendiert, das Gegenstück zum mit Madden 2005 eingeführten "Hit Stick" der Defense. Richtig eingesetzt können damit die laufenden Ballträger die Blocker aus dem Weg hauen - besonders nützlich für Runningbacks, die durch die Mitte gehen.
Weitere Neuerungen bei der Offense gibt es nicht und die Defense blieb komplett unangetastet. Da diese seit 2005 jedoch richtig effektiv ist, gilt gerade in Verbindung mit Vision & Precision eine Football-Regel mehr denn je: Die Defense gewinnt das Spiel. Denn genau wie die KI kann man selbst in defensiver Position in den Augen des gegnerischen Quarterbacks lesen. Sein Blickfeld und wohin er schaut wird angezeigt, so dass man mit geschickter Positionierung der Cornerbacks erfolgreich Pässe verhindern oder durch einen schnellen Zugriff der Linebacker jedes Laufspiel mit Raumverlust für den Gegner beenden kann. Auch Sacks, die Krönung eines jeden Defense-Spielzugs, lassen sich so häufiger erzielen als ohne Vision Control möglich wäre.
Was also beim Offense-Spiel zeitweise nur noch nervt, verbessert indirekt die Defense. Letztlich macht das Defense-Spiel damit in Madden 06 noch mehr Spaß.
Egal ob die anfängliche Beratung, ob das Suchen eines Agenten, der IQ-Test vor dem Draft oder der Draft selbst - Fans von Text-Adventures werden in Nostalgie schwelgen, für alle anderen ist der Superstar-Modus nur wenig reizvoll. Sicher, die Trainingseinheiten oder Spiele laufen ganz normal ab, die kann man jedoch auch einfach so haben. Das Auswählen einer Antwortmöglichkeit hingegen ist nicht sonderlich spannend, gerade wenn man bedenkt, dass es sich hierbei um ein actionreiches Sportspiel und nicht um eine Quizshow handelt.
Ansonsten gibt es nichts Neues in Madden 06: Der Franchise-Modus ist unverändert, es gibt keine neuen Minigames, keine neuen Trainingsmöglichkeiten. Nicht einmal die Kommentare von John Madden und seinem Partner wurden überarbeitet und kommen immer noch genauso trocken, zusammengewürfelt und unmotiviert herüber, wie früher. Eine nette Untermalung sind sie zwar auch weiterhin, insgesamt klingt aber gerade John Madden viel zu abgeklärt, als dass man sich als Spieler im Stadion glaubt.
Darüber hinaus kommen mit Madden 06 die üblichen Vorzüge wie die exklusive NFL-Lizenz, das heißt alle NFL-Teams und ihre Spieler sind präsent. Ferner sind auch die NFL-Europe-Teams enthalten, wobei hier zumindest teilweise die Spielernamen fehlen, dafür aber auch deren Stadien nachgebildet sind. Außerdem enthält das Spiel die Playbooks aller Teams, so dass man auf deren original Spielzüge zurückgreifen darf - damit macht es noch mehr Spaß, seine Lieblingsmannschaft zum Sieg zu leiten. Und damit das NFL-Vergnügen perfekt wird, fragt Madden beim ersten Start nach der Lieblingsmannschaft und präsentiert die Menüs fortan in deren Farben und mit Spielern des gewählten Teams im Hintergrund.
Madden NFL 06 ist bereits im Handel erhältlich und wird für PC, PlayStation 2 und Xbox angeboten. Die Anleitung ist auf Deutsch, das Spiel hingegen ist komplett in Englisch gehalten. Der Test bezieht sich ausschließlich auf die Xbox-Version, da uns die anderen Varianten nicht vorlagen.
Fazit:
Im Großen und Ganzen ist auch Madden NFL 06 eine sehr gelungene Football-Simulation. Letztlich hinterlassen die neuen Funktionen aber allesamt einen faden Nachgeschmack: Der Superstar-Modus ist komplett überflüssig und wird wohl niemanden hinter dem Ofen hervorlocken. Vision & Precision kann das Spiel interessanter machen, ist aber keineswegs perfekt und birgt einige Tücken. Schaltet man es jedoch ab, hat man im Grunde Madden 2005 vorliegen - denn andere Änderungen gibt es nicht. Vielleicht hätte EA sich hier auch der Grafik und nochmals der Defense widmen sollen. Eine Neuanschaffung rechtfertigen die neuen Funktionen auf keinen Fall - wer nicht absolut von Vision & Precision überzeugt ist, sollte sich lieber nach der günstigeren Vorgängerversion umschauen. Für Football-Fans mit extremem Hang zum Realismus oder Madden-Neulinge bietet aber auch Madden 06 einiges - und ist dabei vom Pflichtkauf trotzdem weit entfernt.



