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Spieletest: Silent Storm - Taktik mit Rollenspielelementen

WKII-Rundenstrategie für PC. Der Zweite Weltkrieg ist seit Jahren ein beliebtes Hintergrundthema für PC-Spiele, und so springen auch JoWooD und die russischen Entwickler von Nival Interactive auf diesen Zug auf. Nachdem mit dem Spiel Blitzkrieg die Echtzeitstrategie bereits abgedeckt wurde, haben sie nun das relativ selten vertretene Genre der rundenbasierten Taktikspiele gewählt. Während Jagged Alliance 3 weiter auf sich warten lässt, ist Silent Storm nun in Deutschland erhältlich - und ist dabei mehr als ein Spiel zur Überbrückung der Wartezeit.
/ Thorsten Wiesner
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Die Story: Seit Ausbruch des Krieges sind vier Jahre vergangen und ein Ende ist bisher nicht in Sicht. Also verstärken beide Seiten ihre Spionageaktivität, um an geheime Informationen zu gelangen, die das Gleichgewicht der Kräfte zu ihren Gunsten verlagern sollen. In diesem Sinne steuert der Spieler als Anführer eines schlagkräftigen Trupps in verdeckten Operationen hinter den feindlichen Linien. Dabei kommt er in einer nichtlinearen Kampagne auf Seiten der Alliierten oder der Achsenmächte einer bislang unbekannten Macht auf die Spur. Die Geschichte wird jeweils zwischen den Missionen durch reine Textbildschirme vorangetrieben - Filmsequenzen in der Spielgrafik hätten der Atmosphäre sicher gut getan.

In der Kampagne muss der Spieler neben den relevanten Einsatzgebieten zufälligen Feindkontakten entgegentreten und kann so seine Charaktere auf wichtige Missionen vorbereiten. Dabei ist der Spieler immer auf sich allein gestellt - einen Multiplayer-Modus gibt es nicht. Außerhalb der Kampagne bietet Silent Storm nur mit einem Map-Editor erstellte Karten.

Bevor es richtig losgehen kann, wählt der Spieler, wie es sich für ein Rollenspiel gehört, seinen Hauptcharakter. Sechs Spezialisierungen stehen dafür zur Auswahl. Soldaten und Grenadiere kümmern sich in erster Linie um feindliche Einheiten, Scharfschützen und Aufklärer stellen den Gegensatz von Fern- und Nahkampf dar, Techniker und Mediziner sorgen sich verstärkt um Sprengsätze und Fallen bzw. das Wohl der Truppe. Für jede Berufsgruppe steht ein fertiger Charakter bereit. Man kann seine Spielfigur vom Aussehen bis zu den Attributen allerdings auch komplett selbst erstellen. In der Heimatbasis wird das Team mit maximal fünf von 40 vorgefertigten Charakteren erweitert.

Mit Erreichen des Einsatzgebietes startet das eigentliche Spiel - in Echtzeit wohlgemerkt. Je nach Schwierigkeitsgrad ist dem Spieler wenig bis nichts über das Einsatzgebiet bekannt. Eine typische Missionsbeschreibung lautet: "Finden Sie heraus, was es mit der erhöhten Aktivität der Spionageabwehr auf sich hat". Nun beginnt der Spieler, sich einen Überblick zu verschaffen, positioniert den Scharfschützen und schickt den Aufklärer los. Wie er dabei vorgeht, hängt von der eigenen taktischen Herangehensweise und der Zusammensetzung des Teams ab. Von brutaler Konfrontation bis zum chirurgischen Eingriff ist alles möglich. Glücklicherweise gibt es keinen "Fog of War" und die gesamte Karte ist für die Planung von vornherein einsehbar, jedoch ohne Gegner.

Nun kommen die schon erwähnten Rollenspiel-Elemente zum Tragen. Die Fähigkeiten der Charaktere wie Entdecken oder Schleichen entscheiden, ob und wann man selbst den Gegner entdeckt oder von ihm ausfindig gemacht wird. Bei Nachteinsätzen ist das Verbergen zwar einfacher, dafür werden aber Geräusche eher wahrgenommen. Leider passt sich die Kleidung nicht der Witterung an, aber das scheint auf das Spiel keinen Einfluss zu haben. Wird der Spieler entdeckt, unabhängig ob visuell oder akustisch, oder möchte man einen Schuss abfeuern, wechselt das Spiel in den Rundenmodus.

Abhängig von der Geschicklichkeit steht im Rundenmodus jedem Charakter eine gewisse Anzahl von Aktionspunkten (AP) zur Verfügung, die sich mit jeder Handlung verringern. Sind alle APs verbraucht, ist der Gegner an der Reihe. Natürlich müssen nicht alle Punkte in einer Runde eingesetzt werden. Mit einem kleinen Polster erhält ein Charakter die Chance, die Runde des Gegners zu unterbrechen und so plötzlich auftauchende Einheiten zu attackieren. An dieser Stelle fehlt eine wichtige Funktion, die beispielsweise schon X-COM - Apokalypse besitzt: das selbstständige Reservieren von Aktionspunkten für einen Schuss oder zum Hinknien bzw. -legen. Deswegen sollten die Handlungen in einer Runde gut geplant sein, um keine APs zu verschwenden. Dafür ist ein wenig Kopfrechnen nötig.

Aktionspunkte werden beispielsweise beim Umgang mit Waffen verbraucht. Je nachdem, ob aus der Hüfte oder gezielt geschossen wird, werden mehr oder weniger APs verwendet. Gleichzeitig steigt oder sinkt damit die Trefferwahrscheinlichkeit. Der Scharfschütze kann als einziger alle Aktionspunkte zum Zielen verwenden und mit in die nächste Runde nehmen. Damit kann er selbst auf große Entfernungen ein spezielles Körperteil des Ziels anvisieren. Ein entscheidender Faktor des Spiels ist es, diese Abhängigkeiten herauszufinden und mit den Fähigkeiten der Charaktere zu kombinieren, um so die Aktionspunkte möglichst effizient nutzen zu können.

Je öfter ein Gegenstand erfolgreich verwendet wird, desto mehr Erfahrung erlangt der Charakter und steigt schließlich eine Stufe auf. Mit jedem Aufstieg kann eine Spezialfähigkeit erworben werden, die zur Berufsgruppe passt. Außerdem wird der Charakter mit dem Gegenstand vertraut und muss bei gleichem Erfolg fortan weniger Aktionspunkte verwenden.

Die künstliche Intelligenz des Spiels ist ziemlich ausgereift. Der Gegner weiß das Gelände ebenso zu seinem Vorteil zu nutzen, wie es der Spieler tun sollte. Dazu zählt die Deckung ebenso wie die Zerstörung von Leitern, um den Spieler zu einem Umweg zu zwingen. Ist der Gegner verwundet oder glaubt überrannt zu werden, ruft er Verstärkung herbei oder zieht sich zurück. Nur in seltenen Fällen agiert der Gegner etwas merkwürdig.

Wird ein Teammitglied verwundet, hat das nicht nur Auswirkungen auf die Lebenspunkte. Je nach Trefferzone können unter anderem Taubheit, Blindheit oder Bewusstlosigkeit die Folge sein. Unter Umständen kann sich versehentlich ein Schuss lösen oder die Waffe wird weggeschleudert. Kleine Wunden kann der Arzt im Feld versorgen, schwer verletzte oder bewusstlose Charaktere müssen jedoch aus der Spielzone getragen werden und auf die medizinische Versorgung in der Heimatbasis hoffen.

Zurück in der Basis wird der Einsatz ausgewertet, die Charaktere versorgt und mit neuen Waffen ausgestattet. Insgesamt bietet Silent Storm mehr als 70 authentische und einige experimentelle Waffen aus dem Zweiten Weltkrieg sowie allerlei Gebrauchsgegenstände. Es können aber keine Gegenstände miteinander kombiniert werden.

Die Grafik ist als ausgesprochen gelungen zu bezeichnen. Das gesamte Gelände besteht aus gerenderten Objekten, die obendrein komplett zerstört werden können. So brennt ein Haus nach entsprechender Einwirkung bis auf die Grundmauern nieder. Zäune werden durchlöchert und Türen bersten auf Grund der Druckwelle einer Granate in tausend Stücke. Auch die sonstige Spielphysik macht einen guten Eindruck, auch wenn die Entwickler die Effekte ein bisschen übertrieben haben. Pflanzen bewegen sich, wenn eine Spielfigur die Flora durchstreift und die Gegner werden filmreif zu Boden geschleudert. Besonders schön sind auch die geschmeidigen Animationen der Charaktere - etwa beim Klettern durch Fenster - anzusehen. Schade, dass die Charaktere nicht wie bei Kommandos durch Türen oder Fenster spähen können, ohne sie zu öffnen. Das Spielgeschehen ist mit der frei dreh-, kipp- und zoombaren Kamera detailgetreu zu verfolgen und die Darstellung von Blut lässt sich deaktivieren.

Einziges Manko sind die zuweilen langen Rundenzeiten der Gegner und die Sprachausgabe in den Kämpfen. Zwar sind die Kommentare der Charaktere in den ersten Missionen noch recht unterhaltsam, auf Dauer werden sie jedoch eintönig. Besser wäre es gewesen, wenn die Spielfiguren beispielsweise Informationen über ihre Verletzung kundtäten, statt immer wieder von "kleinen Kratzern" zu sprechen. Zum Glück kann man die Sprachausgabe deaktivieren.

Silent Storm läuft auf Windows 98/ME/2000/XP und erfordert DirectX 9.0. Als optimales System geben die Entwickler einen Pentium IV mit 2,2 GHz und 512 MByte RAM sowie eine Grafikkarte mit 128 MByte Speicher an. Auf dem Testrechner mit einem AMD Athlon (1,3 GHz) und Radeon 9500 Pro läuft das Spiel auch in höchster Detailstufe ausgesprochen flüssig. Das Spiel hat eine USK-16-Empfehlung und ist seit dem 24. Oktober 2003 für circa 50,- Euro erhältlich.

Fazit:
Silent Storm ist eine Bereicherung der WKII-Spiele und eine willkommene Abwechslung zu den hektischen Shootern und Echtzeitspielen, die sich nicht vor den Genre-Kollegen wie Jagged Alliance oder dem ebenfalls aktuellen Ufo Aftermath zu verstecken braucht. Die Story und die Rollenspielelemente sorgen für eine ausreichende Langzeitmotivation. Nur die unfreiwilligen Pausen durch lange Computerrunden und die Sprachausgabe können manchmal stören. Für Freunde des Genres ist Silent Storm absolut empfehlenswert. Neueinsteigern kann die Demo Aufschluss geben, ob ihnen dieses Genre liegt. [Von Alexander Vock]


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