Digital Anvils lang erwartete Weltraum-Simulation in der US-Version getestet. Mit Freelancer liefert Microsofts Entwicklerstudio Digital Anvil eine neue actionlastige Weltraum-Simulation für Science-Fiction-Fans. Eingebettet in eine spannende Hintergrundgeschichte kämpft sich der Spieler dabei durchs Universum, kann verschiedene Schiffe kaufen und aufrüsten, Aufträge annehmen und mit Waren handeln.
Von der ursprünglich geplanten Online-Mehrspieler-Weltraum-Simulation, die Chris Roberts bis Ende 2001 mit Freelancer entwickeln und veröffentlichen wollte, ist nach dem im Jahr 2000 erfolgten Verkauf von Digital Anvil an Microsoft nicht mehr viel übrig geblieben. Nachdem Roberts Digital Anvil verließ, hat man Freelancer stark zurückgestuft und Anfang 2003 primär als Action-Spiel mit interessanter Geschichte und ein wenig Wirtschaftssimulations-Elementen auf den Markt gebracht.
Im Freelancer-Universum hat sich ein Teil der Menschheit mit fünf großen Siedlungsschiffen von der Erde in den Sirius-Sektor abgesetzt, um einem interstellaren Krieg zu entkommen. Jedes der Kolonieschiffe stammte aus einem anderen Teil der Erde: Die Liberty trug Amerikaner, die Bretonia Briten und Iren, die Kusari beherbergte Asiaten und die Rheinland deutschstämmige Siedler. Ein weiteres Schiff spanischer Herkunft ist verschollen, gerüchteweise haben sich dessen Bewohner jedoch als Freibeuter niedergelassen.
800 Jahre nach Ankunft im Zielgebiet haben sich vier unabhängige Reiche etabliert, die zwar aufeinander angewiesen, aber auch in verschiedene Konflikte miteinander verwickelt sind. Darüber hinaus gibt es verschiedene Unternehmen, Interessensgruppen und organisiertes Verbrechen, die versuchen, Einfluss zu nehmen. Als Freelancer, zu Deutsch "Selbstständiger", mit Namen Trent wird man gleich zu Beginn des Spiels in eine Intrige um eine zerstörte Raumstation verwickelt, die sich um außerirdische Artefakte dreht, sich bald zum handfesten Krieg entwickelt und überraschende Wendungen bereithält.
Die Hintergrundgeschichte entfaltet sich nicht nur in Zwischensequenzen auf Planeten, Raumstationen oder Schlachtkreuzern, sondern auch während der Flüge von einem Schlachtfeld zum nächsten. Gerade am Anfang lässt einem das Spiel Zeit, sich mit der Steuerung des eigenen Raumschiffs vertraut zu machen, was auch dank der gelungenen Tastatur- und Maussteuerung recht schnell gelingt; dennoch ist schade, dass man auf eine Joystick-Steuerung komplett verzichtete. Erst ein Level-Aufstieg durch Erwirtschaften einer bestimmten Gesamtgeldmenge führt mitunter dazu, dass sich bestimmte Story-Elemente weiterentwickeln, man mit neuen Missionen konfrontiert wird oder etwa bestimmte Hardware-Erweiterungen für das eigene Schiff erstehen bzw. nutzen kann. Eine wirklich freie Wahl, die Missionen der Hintergrundstory abzulehnen, hat man allerdings nicht, zumal die Hintergrundstory das Spiel um einiges interessanter macht als die normalen Standard-Missionen, die außer Aufträgen zur Zerstörung von Feinden leider nichts Ausgefeilteres bereithalten.
Hat man die Hintergrundstory erfolgreich beendet, bleiben zwar Dutzende von Systemen, Planeten und Raumstationen zu besuchen, mehr als etwas Handel mit Rohstoffen bzw. Waren und der Kampf mit Piraten oder - je nachdem auf welcher Seite man steht - Polizei- bzw. Militäreinheiten bleiben jedoch spielerisch nicht übrig. Selten findet man auch mal verlassene Schiffe, deren Waffensysteme oder Ausrüstung man mitnehmen kann. Zumindest das recht lebendig wirkende Universum kann ein wenig die mangelnde Abwechslung nach Vollendung der Hintergrundstory verdecken, da die eigenen Aktionen insbesondere die Freund-Feind-Einstufung der verschiedenen Gruppierungen beeinflussen und diese entsprechend auf einen reagieren lassen.
Kommunikation mit anderen Schiffen oder Personen findet nur im Rahmen der Story oder in den Bars von stationären oder weltraumbasierten Raumhäfen statt. Mehr als "ja" oder "nein" steht per Mausklick allerdings an Interaktionsmöglichkeiten nicht zur Verfügung. Neben Bars gibt es noch Handelszentren für den Kauf und Verkauf von Waren und Rohstoffen, Raumschiffswerkstätten zur Reparatur und Aufrüstung des eigenen Schiffs - etwa, um bessere Raketenwerfer oder Energiewaffen zu erstehen - und mitunter auch Schiffswerften zum Kauf eines neuen Schiffs. Erst Level-Aufstiege, welche durch Erwirtschaften einer bestimmten Gesamtmenge Geld in Missionen erfolgen, ermöglichen dabei die Nutzung von bestimmten Waffen. Anstelle von Erfahrungspunkten wird dabei die Entwicklung von Trent als anhand des von ihm in Freelancer- oder Story-Missionen erwirtschafteten Geldes ermittelt.
Die Präsentation von Freelancer ist gelungen, die Grafik detailliert, aber das Universum wirkt mitunter etwas zu bunt bzw. hell. Hier wird vermutlich X2 von Egosoft etwas mehr Authentizität und grafische Qualität bieten, wenn man von den ersten Screenshots aufs fertige Spiel schließen kann. Während Hintergrundgeräusche, Effekte und Musik in Freelancer weder stören noch besonders beeindrucken, kann die Sprachausgabe durchaus als gelungen bezeichnet werden. Zumindest in der von uns getesteten US-Importversion von Freelancer konnten die teils von bekannten Schauspielern gesprochenen Stimmen einiges zur Atmosphäre beitragen - insbesondere wenn Raumschiffe, Raumstationen und Planetenbasen im belebten Freelancer-Universum mit ihren Funkkontakten die passende Stimmung aufkommen lassen. In den in Echtzeit gerenderten Zwischensequenzen mit den recht gut gestalteten Charakteren war die Sprachausgabe allerdings nicht immer lippensynchron. Wie gut die Sprachausgabe in der ab Anfang Mai 2003 erhältlichen deutschsprachigen Freelancer-Version gelungen sein wird, muss sich noch zeigen.
Beim Verkauf und Kauf von Waren bekommt der Spieler mitunter Tipps durch Gespräche in der Bar, während der Schiffscomputer sich merkt, welche höchsten und niedrigsten Warenpreise an den bereits besuchten Orten registriert wurden. Nicht informiert wird man allerdings, ob man auf bestimmten Basen überhaupt noch erwünscht ist, da die politische/wirtschaftliche Gruppierung nur an anderer Stelle angezeigt werden; das kann dann etwas unangenehm werden, wenn man plötzlich aus vollen Rohren beschossen wird. Für Fans von weltraumbasierten Wirtschafts-Simulationen ist Freelancer auf Grund des eher simpel wirkenden Handels-Systems weniger spannend, zu wenig Aufregendes passiert zudem beim Handeln - einmal abgesehen von Überfällen durch Weltraumpiraten, die einen erst versuchen, zum Abwurf der Waren zu bewegen und - wenn dies nicht erfolgt - angreifen. Ebenfalls attackiert werden kann man natürlich auch von der Weltraumpolizei, wenn man sich am Transport nicht ganz so legaler Waren versucht.
Hat man die Lust am Solospiel verloren, kann man mit anderen Freelancer-Käufern virtuelle Raumgefechte auf einem eigenem Server austragen oder weltweit über Microsofts Zone.com gegeneinander antreten. Ein riesiges Mehrspieler-Universum bietet Freelancer dabei allerdings nicht.
Fazit: Digital Anvils Freelancer ist ein gutes Spiel, das mit einer spannenden Story mitreißen kann. Ist diese jedoch nach etwa 15 bis 20 Stunden durchgespielt, bleibt mäßig interessante Weltraum-Action mit etwas Wirtschaftssimulation übrig, die auf Grund mangelnder Abwechslung die Chance verspielt, den Spieler auch dauerhaft vor den Bildschirm zu fesseln.