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Spieletest: The Getaway - Ambitioniertes Kino-Spiel-Projekt

Action-Titel für die PlayStation 2. Mit The Getaway hatte sich Sony viel vorgenommen: Der PS2-Titel sollte die Atmosphäre und den Stil eines hochklassigen Kinofilms mit den Interaktionsmöglichkeiten eines spannenden Action-Spiels verbinden. Nach unzähligen Terminverschiebungen ist das Programm nun seit kurzem erhältlich - und kann die hohen Erwartungen leider nur teilweise erfüllen.
/ Thorsten Wiesner
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Die erste hochklassige Video-Sequenz führt in die spannend erzählte Geschichte ein: Marc Hammond, nach mehreren Jahren im Gefängnis endlich wieder auf freiem Fuß, will eigentlich endgültig mit den früheren kriminellen Machenschaften brechen. Dabei hat er allerdings nicht bedacht, dass der mächtige Untergrund-Gangster Charlie Jolson noch eine Rechnung mit ihm offen hat - und infolgedessen nicht nur Hammonds Sohn entführen, sondern auch seine Frau umbringen lässt. Fortan begibt sich Hammond auf die Suche nach seinem Sohn und den Mördern seiner Frau, und gerät bald wieder in die Fänge von Jolson.

Die zahlreichen fortan zu absolvierenden Missionen sind zumindest zu Beginn alle nach dem selben Muster aufgebaut: Man schnappt sich ein Auto, fährt durch die schön modellierten und realistisch abgebildeten Straßen von London und kommt letztendlich an einem Zielort (meist ein bestimmtes Gebäude) an, in dem man sich dann Gefechte mit diversen Gegnern liefert. Die Auto-Fahrten gehören dabei sicherlich zum angenehmen Teil des Spiels: Insgesamt wurden sechzig verschiedene Modelle, darunter etwa Mercedes CLK und Audi TT, aber auch die typischen Londoner taxis, linzenziert, die Steuerung erfordert zwar zunächst etwas Übung, geht dann aber leicht von der Hand.

Da zu Gunsten der Film-Atmosphäre auf jegliche Bildschirm-Anzeigen verzichtet wurde, folgt man allerdings nicht, wie bei ähnlichen Spielen üblich, einem eingeblendeten Pfeil, sondern muss sich am Blinker des eigenen Autos orientieren, der angibt, wann abgebogen werden muss. Praktisch funktioniert dies leider nicht immer - von Zeit zu Zeit biegt man falsch ab und landet in einer Sackgasse. Ist der eigene Fahrstil zudem zu gewagt, wird nicht nur die Polizei früher oder später auf einen aufmerksam, was zu wilden Verfolgungsjagden führt, sondern man zerstört unter Umständen in einem Crash dank des guten Schadensmodells auch die hinteren Blinker - in so einem Fall bleibt einem nichts anderes übrig, als das Fahrzeug zu wechseln.

Geht die Lenkung der Fahrzeuge also noch recht gut von der Hand, wird man spätestens beim ersten Schusswechsel die unglückliche Steuerung der Action-Passagen verfluchen - hier hat das zuständige Entwicklerteam Soho gleich in mehrerer Hinsicht keine gute Arbeit geleistet. Das beginnt schon bei den teils sehr lahmen Reaktionen von Marc Hammond, vor allem aber die automatisch fixierte und manuell nicht nachjustierbare Kamera funktioniert nur unbefriedigend - oft wird man von der nicht einsehbaren Seite beschossen und hat Schwierigkeiten, den Gegner überhaupt ausfindig zu machen.

Auch die Zielautomatik funktioniert gerade in Gefechten mit mehreren Gegnern nur unbefriedigend, zwar kann man per Tastendruck zwischen den einzelnen Feinden umschalten, aber oft braucht man mehr als einen Tastendruck, bis man endlich den Oberboss anvisiert hat und nicht nur auf die eher ungefährlichen Hilfsleute schießt. Manuelles Zielen ist zwar möglich, auf Grund eines fehlenden Fadenkreuzes aber äußerst schwierig.

So stirbt man unzählige Tode, ohne wirklich etwas dagegen tun zu können. Der hohe Schwierigkeitsgrad resultiert zudem auch daraus, dass Hammond nur sehr wenig Blei verträgt - eine gut platzierte Kugel kann hier schon das Aus bedeuten. Eine Gesundheitsanzeige fehlt natürlich auch, stattdessen muss man auf Grund der Körperhaltung der Charaktere auf ihre Verletzungen schließen. Zumindest kann man sich, wenn man beschossen wurde, eine Zeit lang gegen eine Wand lehnen, um so zu regenerieren.

Während die zahlreichen Zwischensequenzen, für die Sony professionelle Schauspieler engagierte und dann per Motion-Capturing ins Spiel integrierte, auch auf Grund der komplett deutschen und sehr glaubwürdigen Sprachausgabe hervorragend gelungen sind, wirken die Animationen im Spiel oft sehr unbeholfen - in manchen Momenten sorgen die Bewegungen von Marc Hammond für unfreiwillige Komik. Auch die Qualität der Texturen schwankt - manche Gebäude wirken von innen todschick, andere Areale lassen jegliches Gespür für anspruchsvolle Optik vermissen.

Zumindest die Story kann bis zum Ende fesseln, vor allem auch auf Grund der Tatsache, dass man nach Absolvieren aller Missionen in der Rolle von Marc noch die Möglichkeit bekommt, als Frank Carter, einem Mitglied der Eliteeinheit Flying Squad, die Fronten zu wechseln. Im direkten Vergleich zu einem durchaus ähnlichen Titel wie GTA Vice City zieht The Getaway aber in fast allen Belangen den Kürzeren.

Fazit:
Nach offiziellen Angaben hat The Getaway etwa acht Millionen Euro Entwicklungskosten verschlungen - Geld, das man sicherlich besser hätte anlegen können. Auch die stilvollsten und atmosphärischsten Zwischensequenzen bringen nicht viel, wenn das Spiel auf Grund drastischer Steuerungs- und Kamera-Probleme mehr Frust als Lust erzeugt. Auch wenn man den Entwicklern durchaus zugute halten darf, hier etwas Neues ausprobiert zu haben, sollte man die für das Spiel verlangten 60 Euro lieber in ein ausgereifteres und unterhaltsameres Spiel wie GTA Vice City investieren.


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